Mehr Schutz für eine offene Flanke

Experten diskutieren Sicherheitskonzepte für Computer und Telekommunikation

Von Thomas Reintjes (Deutschlandradio)
Sendung vom 22.09.2005

Informationstechnik. - Wir sind nicht nur von Computern umgeben, sondern auch von ihnen abhängig. Für Informatiker ist die Sicherung von Systemen ein wichtiges Forschungsfeld. Auf der Tagung "Emergency Computing und kritische Infrastrukturen" gaben Experten dazu einen Überblick.

Dass bei Katastrophen technische Einrichtungen in Mitleidenschaft gezogen werden, mag im Vergleich zum menschlichen Leid zweitrangig erscheinen. Doch gerade für die Einsatzkräfte ist Kommunikationstechnik wichtig. Das hat sich zuletzt in New Orleans gezeigt. Opfer, Rettungskräfte und Behörden konnten sich kaum verständigen. Wie aber kann gewährleistet werden, dass Strom und Telefon und die vielen anderen Dinge, die mit ihnen zusammen hängen, vor Ausfällen geschützt sind? Bernhard Hämmerli, Professor an der Hochschule für Technik und Architektur in Luzern:

Es ist nicht so, dass Sie jede Infrastruktur voll schützen können, sondern Sie müssen zuerst selektieren und sagen, was ist essentiell, was ist kritisch und in welchem Bereich ist es kritisch. Ist es betrieblich kritisch für das Erfolgsresultat, ist es staatlich kritisch für Deutschland, ist es von weltweiter Bedeutung? Und erst dann können Sie das Schutzmaß bestimmen.

Schutz ist das eine, aber fällt ein System dann doch einmal aus, muss es Ersatz geben. In Deutschland sollen sich Einsatzkräfte dazu in Zukunft auf den digitalen Behördenfunk BOS verlassen können. Doch dieser, mahnen Informatiker, sollte nicht nur das veraltete Funksystem ablösen. Vielmehr will man neue Chancen nutzen, die die Technik bietet. Denkbar sei beispielsweise eine automatische Alarmierung, ausgelöst von Sensornetzen. Ein digitales Funknetz aufzubauen, ist im Katastropheneinsatz aber schwierig. Deshalb denken Informatiker auch über so genannte Ad-hoc-Netze nach.

Ein ausgefallenes System wird dabei ersetzt durch unabhängige Kommunikationstechniken. Handys, Notebooks und Hausantennen, die Daten senden und empfangen können, könnten Teil eines solchen Netzes werden. Nötig sind dazu offene Standards, sodass sich die Geräte auch problemlos untereinander verstehen. Gleichzeitig dürfen Unbefugte das Netz aber nicht nutzen können. Um aber von vornherein das Ausfallrisiko eines Systems zu verringern, ist eine gute Vernetzung wichtig, so Bernhard Hämmerli:

Gute Vernetzung ist eine vermaschte Vernetzung, das heißt, dass mehrere Transportwege von Sprachpaketen und Datenpaketen möglich sind. Und dass das so konfiguriert ist, dass lokale Ausfälle praktisch reibungslos und ohne Verlust dazu führen, dass Alternativwege genommen werden.

So können Dominoeffekte vermieden werden, Kettenreaktionen, die auf einen einzelnen Ausfall zurückgehen. Sie hatten beispielsweise zu den großen Stromausfällen in den USA, Kanada und Italien geführt. Ausfallsicher muss nicht nur das Stromnetz sein, sondern auch die Informationstechnik, mit der das Netz gesteuert wird. Das gleiche gilt etwa für die Wasserversorgung, die Mobilität und viele andere Bereiche, in die die Informatik Einzug gehalten hat.

Ich denke, dass wir heute abhängiger sind als vor drei, vier Jahren und ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten fünf Jahren noch mal sehr viel abhängiger werden von der Informatik-Infrastruktur. Gleichzeitig soll ein Bewusstseinsprozess dieses Faktums bei der Bevölkerung und bei den Entscheidungsträgern da sein. Ich sehe, dass dieser Bewusstseinsprozess von vielen Stellen gefördert wird, von akademischen Stellen, von Berufsverbänden und auch von Behörden.

Ziel ist es dabei, ein Denken zu fördern, dass über den eigenen Computer oder über den eigenen Betrieb hinaus geht. Je nach Krisengrad, so der Technik-Wissenschaftler Hämmerli, müssen Informationen eine andere Vertraulichkeits-Einstufung bekommen. Denn auch konkurrierende Unternehmen müssen im Krisenfall miteinander kommunizieren und Informationen austauschen, die im Normalfall lieber jeder für sich behält.

Wie all das sicher und geregelt ablaufen kann, das ist ein Forschungsfeld der Informatik. Geforscht wird nicht nur vor dem Hintergrund von Naturkatastrophen und technischem Versagen, sondern auch mit dem Blick auf Terroristen und Saboteure, die trotz einer vernetzten Welt kein leichtes Spiel haben dürfen.